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Fachtag Integration
Rund 140 ehren- und hauptamtlich Engagierte nahmen am 02.12.2016 am Fachnachmittag „Ankommen – Willkommen – Bleiben / Chancen und Herausforderungen der Integrationsgesellschaft“ im IN VIA Zentrum in der Stolzestraße teil. Im Rahmen der Aktion Neue Nachbarn organisierte das Katholische Stadtdekanat Köln den Fachnachmittag, um das umfassende Thema Integration aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten und gemeinsam mit Vertreter*innen aus der Flüchtlingsarbeit zu diskutieren.
Für die Veranstalter führte Stadtdechant Msgr. Robert Kleine zur Motivation für den Nachmittag aus, dass die Katholische Kirche Kölns einen Beitrag zur Weiterentwicklung unserer Stadtgesellschaft zur Integrationsgesellschaft leisten möchte. Der Fachnachmittag diene dazu, den Weg dorthin in der schwierigen Phase des Übergangs vom Ankommen und Willkommen zum Bleiben mit möglichst vielen Akteuren der Willkommenskultur zu diskutieren und Perspektiven zu eröffnen. Auch Gastgeberin Sibylle Klings, Geschäftsführerin von IN VIA, freute sich auf den Nachmittag in ihrem Hause. Wichtig sei bei allem, was vor uns liege, den Einzelnen nicht aus den Augen zu verlieren. Jeder Mensch habe ganz individuelle Sorgen und Bedürfnisse, die wir stets im Blick behalten müssen. Sie verwies auf den von IN VIA angelegten Garten der Religionen, der seit gut fünf Jahren zahlreichen Besuchergruppen eine Möglichkeit zu religiöser und kultureller Verständigung bietet.
Der Hauptreferent Prof. em. Dr. Klaus Bade, Migrationsforscher der ersten Stunde und Politikberater, sprach in seinem Vortrag über Integration, Willkommenskultur und Abwehrhaltungen in der sogenannten Flüchtlingskrise. Er machte deutlich, dass wir mit der Gesellschaft an einem Punkt stehen, an dem wir uns nicht aus der Verantwortung ziehen dürfen. Statt uns der "German Angst" (Kulturangst) hinzugeben, sollten wir vielmehr selbst Alternativen zu der „scheinbaren Alternative“ entwickeln. Deshalb gab er auch den konkreten Hinweis, dass wir zukünftig vier Dinge im Leben beachten müssen: Helfen, Teilen, Retten, Widerstehen. Helfen bedeutet, selbst aktiv zu werden. Etwas zu spenden, ist schön und gut, aber wir müssen auch lernen, zu teilen, etwas von unserem Wohlstand abzugeben. Retten bedeutet, Menschen ganz konkret aus lebensbedrohlichen Situationen zu retten und schließlich müssen wir gegen inhumane Systeme widerständig werden, wir müssen uns auflehnen und dürfen nicht hinnehmen, dass Grund- und Menschenrechte grob verletzt werden. Der Politik machte er den Vorwurf, die Bevölkerung nicht auf die Migrations- und Flüchtlingsbewegungen und damit auf die Integrationsgesellschaft vorbereitet zu haben. Die jetzige Entwicklung sei schon lange absehbar gewesen und wäre mit einer vorausschauenden Politik auch gesellschaftlich lös- und beherrschbar.
Eine Bereicherung stellten auch die Beiträge der vier geladenen Experten dar, die zu den Themen Bildung und Selbstorganisation von Geflüchteten etwas beitragen konnten. So berichtete Sibylle Klings über das Ausbildungsprogramm "KompAS" (Kompetenzfeststellung, Aktivierung und Spracherwerb) für junge Erwachsene, das seit September am Start ist. Bisher konnte allerdings nur eine geringe Anzahl an Plätzen belegt werden, weil es zum Start der ersten KompAS-Gruppen im September wenige Zuweisungen vom Jobcenter gab. Insgesamt seien die KompAS Plätze in Köln derzeit nur zu 17 Prozent ausgelastet. Christopher Meier von der IHK Stiftung hingegen konnte nur von positiven Erfahrungen berichten, die Teilnehmer*innen seiner Kurse haben gute Erfolgsaussichten auf eine Vermittlung in ein Praktikum oder einen Arbeitsplatz. Ehsan Hadid, Initiator des Forums Afghanischer Migranten, sprach über die prekäre Sicherheitslage in Afghanistan. Die Tatsache, dass viele Asylanträge negativ entschieden werden, mache der Gruppe der Afghanen große Sorgen, berichtete er. Jabbar Abdullah ist als Archäologe und Autor in Köln bereits gut vernetzt, sein Integrationsansatz sieht vor, Integration über die Muttersprache zu ermöglich.
Im Vorfeld der Veranstaltung wurde an alle angemeldeten Teilnehmer*innen ein Fragebogen verschickt, um einen Eindruck über aktuelle Herausforderungen in der Flüchtlingsarbeit und Erwartungen an den Fachnachmittag zu bekommen. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse finden Sie hier. Offene Fragen konnten an den vier Thementischen „Sprache & Bildung“, „Wohnen“, „Arbeit“ und „Beratung“ in den Pausen und beim Get-together im Anschluss an die Veranstaltung mit professionellen Ansprechpartner*innen geklärt werden. Alessandro Palmitessa, Leiter des Menschensinfonieorchesters, verwöhnte die Gäste mit musikalischen Klängen und zeigte seine große gestalterische Kraft und beeindruckende Musikalität auf dem Tenorsaxofon. Er lud alle Interessierten zum offenen Musizieren donnerstags in die Lutherkirche in der Südstadt ein.
Wir bedanken uns bei IN VIA für das Catering und die Gastfreundschaft, bei allen Teilnehmer*innen sowie bei der Aktion Neue Nachbarn, die unseren Fachnachmittag finanziell gefördert hat.
Weitere Quellen von Prof. Dr. Klaus Bade:
Die sogenannte Flüchtlingskrise: Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in Deutschland.
Festvortrag auf der Eröffnungstagung des Zentrums Flucht und Migration der Universität Eichstätt-Ingolstadt in Eichstätt am 14.04.2016
Kulturangst und Willkommenskultur in der Einwanderungsgesellschaft.
Vortrag auf der 69. Landestagung des Bayerischen Volkshochschulverbandes in Unterhaching am 23.04.2015
Integration, Kulturangst und Terror in der Einwanderungsgesellschaft.